Digitalisierung in der Hochschulbildung – Defizite und Chancen

Hochschulen werden auch aus Sicht der Politik immer mehr zu zentralen Institutionen in einer modernen Wissensgesellschaft. Denn mittlerweile gehören zum Profil der Hochschulen nicht mehr nur die First Mission „Lehre“ – Studierende auf den Einstieg in das Berufsleben vorzubereiten – und die Second Mission „Forschung“ – die Zukunft durch Forschungsergebnisse zu gestalten. Sondern auch die Third Mission „Transfer“ – die wechselseitige Interaktion zwischen der Hochschule und der außerhochschulischen Umwelt.

Daher sollte den Hochschulen eigentlich über alle drei Missionen beim Thema Digitalisierung eine Voreiterrolle zukommen. Werden die Hochschulen dem gerecht? Ist die Digitalisierung an den Hochschulen ein wichtiger Faktor für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland?

Veränderte Anforderungen an Absolventen

Die Wirtschaft steht vor der Herausforderung der „Digitalisierung der Arbeitswelt“. An die Absolventen der Hochschulen stellt die Wirtschaft damit neue und veränderte Anforderungen. Selbst bislang technikferne Berufe unterliegen dem digitalen Wandel.

Die Hochschullandschaft hat darauf noch nicht umfassend reagiert.

An vielen Stellen bis heute keine Kompetenzen für die digitale Welt in ihre Lernziele aufgenommen. Der Fokus bei Bachelor-Absolventen müsste stärker auf Teamfähigkeit, dem selbstständigen Arbeiten sowie bei Einsatzbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit liegen. Von Master-Absolventen muss erwartet werden, dass sie eine starke Analyse- und Entscheidungsfähigkeit in ihr Berufsumfeld mitbringen.

Insbesondere KMU könnten profitieren

Auch die Technologien der Digitalisierung, wie beispielsweise das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz, werden erst nach und nach in die Curricula aufgenommen und mit den entsprechenden professoralen Ressourcen hinterlegt – in Bayern im Übrigen auf breiter Front, insbesondere auch im ländlichen Raum.

Davon werden zukünftig, da diese Themen an vielen Hochschulen breit ausgebildet werden, insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen profitieren. KMU haben oft nicht die Ressourcen, selbst für eine entsprechende Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu sorgen, und können sich über das Know how Update von Außen über neue Mitarbeitende freuen.

Digitalisierung verbessert Teilhabe-Chancen

Sehr wohl haben die Studierenden in den letzten eineinhalb Jahren digitale Lehr-, Lern- und Zusammenarbeits-Methoden kennen, nutzen und schätzen gelernt – an allen Hochschulen, unabhängig vom Ort.

Die Digitalisierung der Bildung bietet grundsätzlich die Chance für mehr Chancengleichheit im Studium.

Viele Module sind aktuell unabhängig von Ort und Zeit studierbar, die Lerngeschwindigkeit kann individuell variiert werden, der Zugang zu den Inhalten ist barriereärmer und veränderte Prüfungsformen kommen den Studierenden eher entgegen.

Studium, Beruf (viele Studierende müssen sich parallel zum Studium den Lebensunterhalt verdienen) und Familie sind besser vereinbar, die neuen Formen gehen besser auf die verschiedenen Bildungshintergründe der Studierenden ein.

Einstellung zur Arbeit muss sich verändern

Doch führt das tatsächlich zu einer besseren Vorbereitung auf die Arbeitswelt? Nein, denn Techniken anwenden zu können macht noch kein digitales oder besser agiles Arbeiten („New Work“) aus, schafft keine Effizienzsteigerung und damit Wirtschaftswachstum.

Vielmehr bedarf es einer Veränderung der Einstellung zum Arbeiten.

Weg von hierarchisch geprägten Strukturen hin zu selbststeuernden Teams und der Übernahme von Verantwortung durch jeden Einzelnen.

Gerade hier sehen wir noch großen Nachholbedarf in der Studierendenschaft:Nicht ausreichend erlerntes und trainiertes Selbst- und Zeitmanagement führt gerade bei schwächeren Studierenden dazu, dass diese stärker als vorher den Anschluss verlieren und der Studienerfolg mehr denn je gefährdet ist. Wir beobachten tendenziell, dass die Schere zwischen guten und weniger guten Studierenden weiter auseinander geht.

© Devanath – pixabay.com

Neue Technologien bislang unterrepräsentiert

Neue Technologien sind die Basis für die Veränderung der Hochschullehre und der Hochschullandschaft, sind der Treiber des Fortschritts. Zu den aktuell wichtigsten und zukunftsweisendsten Entwicklungen zählen

  • Massive Open Online Courses (MOOCs)
  • Open Educational Resources (OER)
  • Makerspaces und kreative Räume
  • Digital Badges
  • Learning Analytics
  • Augmented und Virtuelle Reality
  • Digitale Kollaborationstools

Die Nutzung solcher Möglichkeiten ist derzeit aber noch deutlich unterrepräsentiert – auch weil gerade viele kleinere Hochschulen nicht die Ressourcen für deren Erstellung haben.

Das führt auch dazu, dass die Chance nicht genutzt werden kann, solche Technologien –  insbesondere z.B. Makerspaces im Sinne der Third Mission – der Wirtschaft für die Entwicklung neuer Ideen und Produkte zur Verfügung zu stellen. Das trifft  insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, die selbst solche Möglichkeiten anders als Großkonzerne nicht aufbauen können. 

Neue Rolle von Hochschulen für lebenslanges Lernen

Eine ganz neue Rolle könnten die Hochschulen auch im Bereich des „lebenslangen Lernens“ spielen.

Die Digitalisierung verstärkt noch einmal die Notwendigkeit zur kontinuierlichen Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden von Unternehmen.

Mit entsprechenden Kompetenzzentren und dem fachlichen Know how um die digitale Bildung könnten die Hochschulen zukünftig damit prägend beim Thema „Employability“ sein –  gerade im ländlichen Raum, wo sich außer der VHS in der Regel kein größerer Bildungsträger nieder lässt. Aber; Viele Hochschulen haben das noch nicht erkannt.

Geld mit guter Bildungsleistung zu verdienen, gilt gerade vielen staatlichen Hochschulen immer noch als „anrüchig“. Erkannt haben dies bereits die vielen privaten Hochschulen. Davon profitieren zunächst die Großstädte, in denen diese privaten Hochschulen sich in der Regel ansiedeln.

Digitaler Nachholbedarf im Gesundheits- und Sozialwesen

Besonderer Nachholbedarf bei den Digitalkompetenzen und der Anwendung digitaler Technologien besteht im Gesundheits- und Sozialwesen. Ursache dafür ist das fehlende gegenseitige Verständnis füreinander und die nicht gegebene Sprachfähigkeit zwischen Technikern und Gesundheitsexperten.

Diese Spaltung in zwei Lager will die Hochschule Hof gerade mit einem neuen interdisziplinären Studiengang „Innovative Gesundheitsversorgung“ für Gesundheitsfachleute, Ingenieure und Informatiker sowie mit dem BMAS-Förderprojekt „pulsnetz.de“ im Rahmen der Initiative „Zukunftszentren KI“ aufheben, so dass zukünftig gemeinsam die Digitalisierung zum Nutzen von Kunden, Mitarbeitenden und wirtschaftlichem Erfolg der Unternehmen eingesetzt wird.



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