Elektromobilität: Dynamische Entwicklung allein reicht nicht

Anna GrimmFraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Dr. Luisa SieversFraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Die Emissionen durch den Verkehr müssen sinken. Während die Elektromobilität von den einen als die Lösung gesehen und durch die Politik gefördert wird, beurteilen andere die Fokussierung auf die Technologie als vorschnell. So oder so: der Fokus sollte nicht nur auf dem elektrischen Antriebsstrang liegen.

Elektromobilität für den Klimaschutz

Die Emissionen des Verkehrs weisen, verglichen mit anderen Sektoren wie der Energiewirtschaft oder Gebäuden, die geringste Reduktion seit 1990 auf.

Zwar wurden die Emissionsziele laut Klimaschutzgesetz im Jahr 2020 erreicht, jedoch ist der ruckartige Rückgang von 164 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2019 auf 146 Millionen Tonnen im Jahr 2020 hauptsächlich auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen [1, 2]. Bereits 2021 zeigt sich eine deutliche Lücke zu den Emissionszielen.

Der Einsatz insbesondere batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, den CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs zu senken.

Im Vergleich zum Verbrenner, aber auch zur Nutzung von Plug-in Hybriden (PHEV), Brennstoffzellenfahrzeugen und synthetischen Kraftstoffen können BEV im Hinblick auf die erzeugten CO2-Emissionen in der Herstellung und im Betrieb am besten abschneiden [3].

Eine wichtige Einflussgröße ist dabei der Strommix. Ein hoher Anteil Erneuerbarer Energien bedeutet zum einen weniger Emissionen für den Betrieb der Fahrzeuge, aber auch geringere Emissionen durch die Produktion.

Von Bedeutung ist auch die Batteriegröße: umso kleiner die Batterie, desto geringer die produktionsbedingten Emissionen, aber auch im Betrieb trägt eine kleinere und leichtere Batterie zur Effizienz des Fahrzeugs bei.

Batterieelektrische Fahrzeuge setzen sich durch

Der Einsatz von Elektroautos nimmt nicht nur in der Diskussion, sondern auch in der Realität an Fahrt auf. Der globale Absatz steigt deutlich und zunehmend dynamisch, auch wenn zwischen verschiedenen Ländern teilweise noch Unterschiede bestehen (siehe Abbildung 1) [4].

Während BEV ihre Anteile am Absatz in allen betrachteten Ländern steigern, sind die Zuwächse von PHEV zumeist in Deutschland oder den USA zu sehen. Mit Blick auf die Klimaneutralität ebenso wie auf die Wettbewerbsfähigkeit müssen diese als Übergangstechnologie verstanden werden.

Insbesondere Asien und Norwegen wiesen frühzeitig hohe absolute Absatzzahlen von BEV auf. In Deutschland scheint sich die Technologie etwas verzögert durchzusetzen, verzeichnete aber insbesondere in den vergangenen beiden Jahren enorm hohe Wachstumsraten.

Abbildung 1: Absatz von BEV für ausgewählte Regionen, Quelle: [4], Abbildung 23, S. 42

Bekenntnis der deutschen Hersteller zur Elektromobilität

Die Dynamik zeigt sich auch bei Betrachtung der Entwicklung transnationaler Patentanmeldungen im Bereich alternativer Antriebe. Patentanmeldungen stiegen bereits seit den frühen 2000ern an – die Markteinführung entwickelte sich erwartungsgemäß verzögert (siehe Abbildung 2 und Abbildung 1).

Die deutsche Automobilindustrie spielt im Hinblick auf die Patentanmeldungen eine große Rolle mit steigenden Anmeldungszahlen am jüngsten Rand der Beobachtung. Die Forschung und Entwicklung für batterieelektrische Fahrzeuge ist im Aufschwung.

Während es zunächst um die reine Umsetzbarkeit ging, werden zunehmend technologische Optimierungspotenziale ausgeschöpft. Blickt man auf die Produktpaletten und -ankündigungen der deutschen Hersteller, zeichnet sich ein Bekenntnis zu BEV im Pkw-Bereich ab.

Abbildung 2: Alternativer Antriebe – Patentanmeldungen nach Ländern, Quelle: [4], Abbildung 5, S. 15

Es besteht technologischer Verbesserungsbedarf

Der batterieelektrische Antriebsstrang ist eine junge Technologie. Auch wenn bereits eine Vielzahl an Fahrzeugen elektrisch unterwegs sind, besteht weiterhin hoher Innovationsbedarf. Die Realisierung von Effizienzpotenzialen in der Umwandlung elektrischer in mechanische Energie sowie in Bezug auf die Energiedichte der Batterien bzw. Akkus können sowohl betriebs- als auch produktionsbedingte Emissionen reduzieren und die Bilanz von BEV weiter verbessern.

Ein reiner Fokus auf CO2-Emissionen greift natürlich zu kurz. Unter anderem die Ressourcenperspektive spielt eine wichtige Rolle: Es werden verbesserte Batterietechnologien mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch und hoher Recyclingfähigkeit benötigt. Die technologische Optimierung ist dabei nur ein Teil der Gleichung, auch die Umsetzung und Organisation von Kreislaufprinzipien für Fahrzeugkomponenten sowie die entsprechenden Geschäftsmodelle stecken noch in den Kinderschuhen. Auch die globale Struktur der Produktions- und Recyclingnetzwerke befindet sich im Wandel und erweitert sich, wobei noch nicht abzusehen ist, wo zukünftig welcher Verarbeitungsschritt angesiedelt sein wird.

Emissionsarme Technologien sollten nur ein Teil des Neudenkens sein

Der Fokus der Automobilindustrie scheint auf der technologischen Optimierung der Fahrzeuge zu liegen. Andere Blickwinkel, die eher auf die Gesamtorganisation der straßengebundenen Mobilität abzielen, tauchen in der Debatte zwar immer wieder auf, scheinen aber von Herstellern nicht oder nachrangig aufgegriffen zu werden.

Während kleinere und leichtere Pkw sowohl im Hinblick auf ihren Energie- und Ressourcenbedarf in Produktion und Betrieb Vorteile mit sich bringen können, verzeichnet das Segment der SUV immer wieder aufs Neue Rekordabsätze.

Möglichst kleine Batterien sind vorteilhaft hinsichtlich dem Energie- und Ressourcenbedarf in der Produktion und die durchschnittlich zurückgelegte Tagesstrecke eines Autofahrers beträgt nur 52 km [5] Dennoch werden immer größere Batterien verbaut, um mit immer höheren Reichweiten zu werben – und treffen auf die entsprechende Nachfrage. Würde sich diese ändern, wüchsen auch die mit der Elektromobilität entstehenden Herausforderungen weniger schnell.

Sharing-Konzepte bergen ebenfalls hohe Potentiale

Das private Fahrzeug hat noch immer einen hohen Stellenwert – und das, obwohl es im Schnitt nur 45 Minuten pro Tag bewegt wird [5]. Auch die Zunahme von immer leichter nutzbaren Sharing-Angeboten scheint an diesem eingespielten Verhältnis zwischen Mensch und Auto bislang nur zögerlich etwas zu ändern.

Gleichzeitig bergen Sharing-Konzepte hohe Potenziale für eine bedarfsorientierte Mobilität: benötigt man Platz, wird ein großes Auto gemietet, will man einmal eine Langstrecke fahren, greift man auf ein Fahrzeug mit größerer Batterie zu. In allen anderen Fällen reicht auch ein kleines Fahrzeug mit kleinerer Batterie.

Autos als Teil eines Gesamtmobilitätssystems

Darüber hinaus müssen Autos als Teil eines Gesamtmobilitätssystems verstanden werden. Diese Einbindung findet sich bereits in vielen grafischen Visionen, in denen Fahrrad- und Fußverkehr eine dominante Rolle erhalten und in denen kleine elektrische Sharing-Autos neben Sharing-Fahrrädern und -Scootern an regelmäßig befahrenen ÖPNV-Stationen die Multimodalität ermöglichen.

In der Realität zeigen sich jedoch weniger die großflächigen System- und Verhaltensveränderungen, sondern vor allem hohe Investitionen der Automobilindustrie, sowie viel Werbung und Kaufanreize für elektrisch betriebene Pkw.

Das Spannungsfeld zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Gewinnen lässt sich durch die Elektromobilität nur teilweise auflösen.

In diesem Feld beweisen deutsche Hersteller zunehmend ihre Innovationsfähigkeit auch in Hinblick auf die Erschließung von Optimierungs- und Effizienzpotenzialen. Neue Geschäftsmodelle und ein innovatives Verhalten der Endkunden lassen sich schlecht in Patentanmeldungen messen. Der dringende Bedarf besteht weiterhin.

Literatur

[1] Umweltbundesamt (2022): Klimaschutz im Verkehr.

[2] Deutscher Bundestag (2021): Bundes-Klimaschutzgesetz.

[3] Wietschel, M.; Biemann, K.; Link, S.; Helms, H. (2022): Langfristige Umweltbilanz und Zukunftspotenzial alternativer Antriebstechnologien. Studien zum deutschen Innovationssystem. Berlin: EFI

[4] Sievers, L.; Grimm, A. (2022): Innovationstätigkeit des Automobilsektors – Analyse mit Fokus auf nachhaltigen Antriebstechnologien und Digitalisierung. Studien zum deutschen Innovationssystem. Berlin: EFI

[5] infas, DLR, IVT, infas 360 (2018): Mobilität in Deutschland (im Auftrag des BMVI), Tabelle 7, S. 46


Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Umweltbilanz und Zukunftspotenzial alternativer Antriebstechnologien bei Pkw von Prof. Dr. rer. pol. Martin Wietschel, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Strukturwandel der Mobilität – Warum eine Verkehrswende dieses Mal gelingen sollte von Prof. Dr. Gerhard Prätorius, TU Braunschweig

Nachhaltigkeit und Smart City von Tobias Schock, Gemeinde Kirchheim



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