Fernwärme – bedeutender Baustein für die Wärmewende

Dr. Veit BürgerÖko-Institut

Die Wärmewende ist eine der „Schlüsselwenden“, um die Klimaschutzziele zu erreichen. In Europa gilt dies nicht nur für Deutschland, sondern – aufgrund des Klimas – für die meisten nördlich der Alpen gelegenen Länder.

Wärmenetze spielen bei der Transformation der Wärmeversorgungssysteme eine zentrale Rolle. Die meisten Klimaschutzszenarien gehen von einem Ausbau der wärmenetzgestützten Wärmeversorgung aus. Deutschland hat bei diesem Ausbau noch viel Luft nach oben und der Ausbau ist kein Selbstläufer.

Fernwärme spielt bedeutende Rolle im urbanen Raum

Wärmenetze, oftmals auch als Fernwärme bezeichnet, spielen ins insbesondere im verdichteten urbanen Raum eine wichtige Rolle. In Stadtkernen gelegene Gebäude verfügen oftmals über Fassaden, die aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel Denkmal- oder Ensembleschutz, nur eingeschränkt dämmbar sind.

Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, auf oder in den Gebäuden bzw. den dazugehörigen Grundstücken Wärme aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, mengenmäßig begrenzt. Die Dächer und Grundstücke sind oftmals schlichtweg zu klein, um ausreichend erneuerbare Wärmequellen bereitzustellen.

Eine klimaneutrale Wärmeversorgung erfordert also, dass Energie von außen an die Gebäude herangeführt wird. Dies kann über Gas-, Strom- oder Wärmeleitungen erfolgen.

  • Erdgas scheidet aus Klimaschutzgründen aus
  • die Menge an Biomethan ist begrenzt
  • Wasserstoff steht für die Gebäudewärme zumindest mittelfristig nicht in ausreichender Menge zur Verfügung
  • Stromdirektheizungen sind eine sehr ineffiziente Art und Weise, erneuerbaren Strom zu nutzen.

Bleiben also Wärmenetze.

Unterschiede in Europa

Fernwärme hat in den verschiedenen EU Ländern eine unterschiedliche Bedeutung. In Schweden, Dänemark, Finnland und den baltischen Staaten liegt der Fernwärmeanteil bei mehr als einem Drittel. Auch viele osteuropäische Länder verfügen über große Fernwärmesysteme.

In Deutschland liegt der Anteil der Fernwärme an der Wärmeversorgung der Gebäude aktuell bei rund 8 Prozent. Unterschiede gibt es auch beim Anteil, den erneuerbare Energien zur Fernwärmeversorgung beitragen. In Ländern wie Schweden, Dänemark und Litauen liegt dieser Anteil bei mehr als der Hälfte, in Deutschland bei etwa einem Fünftel.

Daneben unterscheiden sich die europäischen Länder in der Architektur ihrer Fernwärmemärkte sowie deren Regulierung. Auf der einen Seite des Spektrums steht Dänemark. Dänische Fernwärme ist per Gesetz non-profit, entsprechend wird Fernwärme dort vorwiegend von kommunalen Unternehmen oder Genossenschaften angeboten.

Auf der anderen Seite stehen Länder wie Deutschland, in denen Fernwärme oftmals von privaten gewinnorientierten Unternehmen geliefert wird. Einige Länder verfügen über ein stringentes Regulierungsregime, in dem ein Regulierer vor allem die Verbraucherpreise reguliert.

Der Regulierungsanspruch fußt auf der Tatsache, dass es sich bei Wärmenetzen um natürliche Monopole handelt, der Netzbetrieb also reguliert werden muss. In anderen Ländern – darunter Deutschland – ist die Regulierung nur sehr schwach ausgeprägt.

Herausforderungen im Fernwärme-Ausbau

Im Hinblick auf den Fernwärme-Ausbau sind Herausforderungen auf zwei verschiedenen Ebenen zu unterscheiden:

  1. Beim Ausbau der Infrastruktur, also der Wärmenetze, geht es darum, mehr Abnehmer mit Fernwärme zu versorgen. Ziel ist es, in bestehenden Wärmenetzgebieten mehr Kunden an die Fernwärme anzuschließen, bestehende Wärmenetze zu erweitern und komplett neue Wärmenetze aufzubauen.
  2. Gleichzeitig muss natürlich die über Wärmenetze transportierte Wärme möglichst klimafreundlich sein. Denn erst dann leistet Fernwärme einen positiven Klimaschutzbeitrag. Es geht also um die Dekarbonisierung des Anlagenparks, der die Wärme erzeugt. Dieser besteht oftmals noch aus Kraft- und Heizwerken, die Kohle und Gas verbrennen. Es ist notwendig, diese durch erneuerbare Wärme und unvermeidbarer Abwärme aus der Industrie zu ersetzen. Mit Großwärmepumpen, solarthermischen Kollektorfeldern, Holzkraftwerken, Müllverbrennungsanlagen usw. stehen hierfür die Technologien bereit.
© Sigmund – unsplash.com

Nötige Maßnahmen für den Fernwärme-Ausbau

Was muss geschehen, damit der Ausbau der Netze sowie deren Dekarbonisierung vorankommen? Hierfür ist eine Reihe verschiedener politischer Maßnahmen notwendig:

Identifizierung von Vorrang- und Ausbaugebieten

Um eine Idee zu bekommen, welche Gebiete sich in einer Kommune überhaupt für eine Fernwärmeversorgung eignen, sollten Kommunen in der Fläche aufgelöste Wärmewende-Strategien entwickeln. Damit würde sichtbar werden, in welchem Quartier oder Stadtteil welche Form der klimaneutralen Wärmeversorgung geeignet ist, wo es also Sinn macht, weiter mit dezentralen Lösungen wie z.B. Wärmepumpen zu arbeiten und wo sich die Wärmeversorgung über ein Wärmenetz anbietet. Das Instrument hierfür ist die Kommunale Wärmeplanung, die die Bundesregierung flächendeckend einführen möchte. Teil dieser kommunalen Wärmeplanung wäre dann auch ein Plan, in welcher zeitlichen Reihenfolge der Ausbau der Netzinfrastruktur erfolgen sollte.

Entwicklung von Transformationsstrategien

Fernwärmeunternehmen müssen Strategien entwickeln, wie sie die heute noch oftmals von fossilen Brennstoffen dominierte Wärmeerzeugung nach und nach zu Gunsten erneuerbarer Energien und Abwärme ersetzen. In Form sogenannter Dekarbonisierungs- oder Transformationspläne werden sollte Strategien festgeschrieben und transparent gemacht.

Förderung des Umbaus

Der Umbau der Netze und der Wärmeerzeugung geht mit sehr hohen Anfangsinvestitionen einher. Mit der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) bietet die Bundesregierung nach langer Wartezeit ein sehr wichtiges Förderprogramm an, über das die entsprechenden Investitionen finanziell unterstützt werden. Jetzt ist es notwendig, dieses Programm zu verstetigen und das Fördervolumen jeweils an die Notwendigkeiten des Marktes anzupassen.

Verzahnung mit anderen Klimaschutz-Instrumenten

Ein zentrales Wärmewende-Vorhaben der Ampelkoalition ist die sogenannte 65 Prozent-Anforderung. Nach dieser soll ab dem 1.1.2024 jede neu installierte Heizanlage mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden.

Der Anschluss an ein Wärmenetz sollte dabei auch dann pflichterfüllend anerkannt werden, wenn der Fernwärmemix noch keine 65 Prozent erneuerbare Energien enthält. Allerdings ist sicherzustellen, dass das Fernwärmeunternehmen eine Strategie verfolgt, die Erzeugung zügig auf klimaneutrale Quellen umzustellen.

Hürden abbauen

Hürden für einen Fernwärmeanschluss gibt es insbesondere bei Mietgebäuden. Nach heutiger Rechtslage – konkret der sogenannten Wärmelieferverordnung – dürfen Eigentümer eines vermieteten Mehrfamilienhauses die Wärmeversorgung nur dann auf einen Fernwärmeanschluss umstellen, wenn die Wärmekosten des Fernwärmeanschlusses im Vergleich zu den durchschnittlichen Wärmekosten der letzten drei Jahre nicht steigen. Diese Bedingung kann in den meisten Fällen nicht erfüllt werden, zumal die Umstellung auf erneuerbare Energien zu tendenziell höheren Fernwärmepreisen führt.

Notwendig wäre die Umstellung auf einen Vergleichsmaßstab, der ebenfalls zu den Klimazielen passt. Als Referenztechnik sollte also nicht der bestehende Gaskessel dienen, sondern ein Heizsystem, das ebenfalls über einen Mindestanteil an erneuerbaren Energien verfügt.

Vertrauen steigern

Fernwärme hat in Deutschland gemeinhin einen recht guten Ruf. Immer wieder kommt es aber zu Fällen, bei denen sich Verbraucher mit extremen Preissprüngen konfrontiert sehen. Dies unterminiert das Vertrauen in die Fernwärme, zumal es sich um ein natürliches Monopol handelt, in dem sich viele Kunden dem Fernwärmeversorger gegenüber ausgeliefert fühlen. Denn anders als bei Strom und Gas können Kunden bei Preissprüngen ja nicht einfach den Lieferanten wechseln.

Ein Ausbau der Fernwärme setzt aber voraus, dass sich mehr und mehr Verbraucher an die Fernwärme anschließen. Dies kann nur gelingen, wenn das Vertrauen der Verbraucher in die Fernwärme hoch ist. Dies bedarf ein hohes Maß an Transparenz hinsichtlich Preis (wie entstehen Preise, was bedingt Preisänderungen usw.) und Qualität (was ist der Erzeugungsmix, welche CO2-Emissionen verbinden sich mit der Fernwärmeerzeugung usw.). Notwendig erscheint auch ein Mindestmaß an Regulierung im Hinblick auf die Preisgestaltung.

Weichen stellen

Es gibt also einiges zu tun, um die Fernwärme dorthin zu bekommen, wo wir sie aus Perspektive der Wärmewendeziele brauchen. Ideen und Konzepte dafür liegen auf dem Tisch. Jetzt kommt es darauf an, zügig die Weichen in die richtige Richtung zu stellen.


Weitere Beiträge zum Thema auf unserem Blog:

Oberflächennahe Geothermie: Wärme aus dem Boden recyclen von Dr. Susanne Benz, KIT

5-Punkte-Plan für mehr Tempo bei der Transformation von Prof. Dr. Manfred Fischedick, Wuppertal Institut

Energiekrise = Energiewende? von Dr. Florian Egli, ETH Zürich



Kommentare

  1. / von Sabine Hillbrand

    Eine sehr gute Zusammenfassung, aber mir fehlt ein Puzzle-Teil, das meiner Erfahrung nach einer der größten „Roadblocks“ ist: welcher Akteur soll den Bau der benötigten Netz-Infrastruktur – gerade in den heute „grenzwertig-wirtschaftlichen“ Gebieten finanzieren und durchführen? Mittlere bis kleinere Kommunen müssten sich dafür verschulden und in eine Tätigkeit einsteigen, die komplex, mit vielen Unsicherheiten behaftet ist und auf lange Zeit angelegt sein muß. Das verträgt sich meistens nicht mit Legislaturperioden, Haushaltsmitteln etc. Wirtschafts-Unternehmen picken sich nur die Filetstücke aus einem Netz und lassen „die Fläche“ dabei häufig daneben unversorgt. Hier müssen die richtigen Hebel meines Erachtens schnell gefunden werden.

Kommentar verfassen