Mut zur Gestaltung: Finanzpolitik für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft

Christopher LeisingerForum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V.

Die neue Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen und Deutschland auf einen Paris-kompatiblen Klimapfad zu lenken.

Für diesen zielorientierten Transformationsprozess braucht es die richtigen marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das erfordert Mut für die nötige Umgestaltung der deutschen und europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Neben einer wirksamen Weiterentwicklung der CO2-Bepreisung müssen die Potenziale weiterer ökonomischer Steuerungsinstrumente (zum Beispiel Steuern, weitere Abgaben, Subventionen) ausgeschöpft werden. Denn eingebettet in einen breiten Policy Mix schonen sie Umwelt sowie knappe Ressourcen und tragen zum sozialen Ausgleich bei.

Marktversagen korrigieren und durch CO2-Preise auf den Klimapfad einlenken

In der Marktwirtschaft signalisieren Preise Knappheit, reizen einen effizienten Umgang mit Ressourcen an und gleichen Angebot und Nachfrage aus. Die unzureichende Internalisierung von Klimakosten verzerrt das Preissignal allerdings und hat über Jahrzehnte zu fehlgeleiteten Investitionen in fossile Strukturen geführt.

In der Folge wurden und werden die Kosten der Klimakrise nicht in vollem Umfang von den Verursacher/innen getragen, sondern auf die Allgemeinheit, andere Staaten und zukünftige Generationen überwälzt.

Die CO2-Bepreisung adressiert dieses Marktversagen und gibt Marktakteuren ein korrigiertes Preissignal, das die Knappheit unseres CO2-Budgets widerspiegelt. Damit die Funktion des Preises, diese Knappheit auszudrücken, aber tatsächlich erfüllt wird, sind Reformschritte nötig.

Reformen sollten die ökologische Effektivität sowie ökonomische Effizienz der bestehenden CO2-Preissysteme sicherstellen. Ambitioniertere Preispfade, die Beendigung der kostenlosen Zertifikate oder die Ausweitung und langfristige Verknüpfung der CO2-Bepreisung über Sektor- und Ländergrenzen hinweg zählen dabei zu den wichtigsten Gestaltungspunkten.

Neben der expliziten CO2-Bepreisung durch Steuern oder Emissionshandelssysteme stellen Energie- und Stromsteuern eine implizite CO2-Bepreisung dar. Derzeit variieren die Steuersätze verschiedener Heiz- und Kraftstoffe stark und unterliegen keiner umweltpolitischen Logik. Oftmals werden klimaschädliche Heiz- oder Kraftstoffe sogar bevorzugt.

Die Besteuerung fossiler und alternativer Kraftstoffe muss daher beispielsweise mit Blick auf die Elektrifizierung und die sektorspezifischen Finanzierungsbedarfe reformiert und die Steuersätze an die Inflation angepasst (indexiert) werden.

Preissignale allein bringen jedoch kaum den notwendigen technologischen Wandel (Lilliestam u. a. 2021) und ohne zielgenaue Begleitmaßnahmen verursachen sie ungewollte soziale Härten.

Neben der Rückverteilung der CO2-Preiseinnahmen für den sozialen Ausgleich können

  • öffentliche Investitionen klimafreundliche Alternativen zugänglich machen,
  • extrem klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen unterbunden werden
  • Produzent/innen in die Pflicht genommen werden, klimafreundlichere Angebote zu entwickeln.

Das zeigt: Für den Schritt hin zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft gibt es kein Patentrezept. Ein kohärenter Policy Mix, der die Rahmenbedingungen auf die Zielerreichung ausrichtet, ist eine notwendige Grundlage für alle weiteren Regelungen.

Besteuern, was vermieden werden soll oder begrenzt verfügbar ist

Neben der CO2-Bepreisung setzt das deutsche Steuer- und Abgabensystem bislang wenige Anreize zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Grundsätzlich können Umweltsteuern diese Rolle übernehmen.

Ihr Anteil am Gesamtsteueraufkommen sinkt seit dem Peak nach Umsetzung der Ökologischen Steuerreform im Jahr 2003 (6,5 %) jedoch kontinuierlich und betrug 2021 zusammen mit den Einnahmen aus dem nationalen und europäischen Emissionshandel nur 4,5 %.

Ein wesentlicher Treiber dieses Einbruchs ist die Inflation. Trotz nominal stabiler Einnahmen war das reale, inflationsbereinigte Aufkommen der Umweltsteuern zwischen 2003 und 2020 rückläufig (vgl. Abbildung 1). Anders als in einigen europäische Nachbarländer werden die Umweltsteuersätze in Deutschland nicht an die Inflation angepasst.

Abbildung 1: Einnahmen aus Umweltsteuern und der CO2-Bepreisung (1998-2026)

Quelle: Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ des BMF (BMF 2021 und weitere Jahre); Berechnungen des FÖS.

Seit 2021 wirken dieser Entwicklung die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung entgegen. Eine Trendwende wurde damit aber nur scheinbar eingeleitet. Denn mit der beabsichtigten Lenkungswirkung entzieht sich der Emissionshandel perspektivisch selbst die Bemessungsgrundlage und die Einnahmen sinken.

Das Gleiche gilt für die Energiesteuer: Allein durch den Umstieg auf die Elektromobilität könnten bis 2050 mehr als 30 Mrd. Euro weniger mit der Besteuerung von Kraftstoffen eingenommen werden (FÖS u. a. 2021).

Die Möglichkeit, Umweltprobleme mit Steuern und Abgaben zu adressieren, wird in den kommen Jahrzehnten politisch wichtiger werden. Eine vermehrte Umstellung auf eine Nutzerfinanzierung kann entsprechende Lenkungswirkung erzielen.

Das gilt beispielsweise für eine Ausweitung der erprobten Lkw-Maut auf Pkw. Auch Gebühren gegen Flächenverbrauch, Lärm und Unfallrisiken verschieben das Preisgefüge in Richtung Umweltschutz und ressourceneffizientem Umgang.

Anders als die CO2-Bepreisung schaffen sie aber zeitgleich eine robuste Finanzierungsgrundlage.

Umweltschädliche Subventionen abbauen und reformieren

Das Volumen umweltschädlicher Subventionen beläuft sich in Deutschland auf etwa 65 Mrd. Euro im Jahr (UBA 2021). Zu den größten Subventionstatbeständen gehören

  • die Steuerbefreiung von Kerosin (8,4 Mrd. Euro/Jahr)
  • die Energiesteuerabsenkung für Dieselkraftstoff (8,2 Mrd. Euro/Jahr)
  • und die Entfernungspauschale (6,0 Mrd. Euro/Jahr).
  • Auch in den Bereichen Energie und Landwirtschaft blockieren zahlreiche umweltschädliche Subventionen Anreize für Energieeffizienz und klimafreundliche Produktionsmethoden.

Viele Subventionen sind historisch gewachsen und wurden einst unter gänzlich anderen Voraussetzungen eingeführt. Ihr Fortbestand weit über die ursprüngliche Zielsetzung und –erreichung hinaus führt häufig zu unbeabsichtigten, negativen sozialen und ökologischen Nebenwirkungen.

Klimaschädliche Subventionen kommen vor allem Haushalten und Unternehmen mit hohem Ressourcen- und Umweltverbrauch zugute. Unternehmen und (meist ärmere) Haushalte mit kleinerem Fußabdruck werden im Verhältnis finanziell schlechtergestellt.

Der Abbau klimaschädlicher Subventionen ist also nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern kann auch zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen.

Wie schon ihre Vorgängerinnen wiederholt auch die neue Bundesregierung die Absicht zum Abbau umweltschädlicher Subventionen und hat dies sogar zum ersten Mal im Koalitionsvertrag verankert.

Um den eigenen Vorsätzen gerecht zu werden, sollte sie schnellstmöglich einen konkreten Plan vorlegen, mit dem alle klimaschädlichen Subventionen bis spätestens 2025 abgebaut oder zugunsten der schnelleren Einführung neuer, klimafreundlicher Technologien reformiert werden. Gezielt auf den Klimaschutz ausgerichtet kann eine kohärente Subventionspolitik zum Katalysator der sozial-ökologischen Marktwirtschaft werden.

Fazit: „Dem Markt den richtigen Rahmen geben“

Mit dem Ziel, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen, nimmt sich die neue Bundesregierung vor, Wirtschaft, Ökologie und Soziales stärker zusammenzuführen.

Dafür braucht es Mut, den regulatorischen Rahmen umzugestalten: Kostenwahrheit, ein schonender Umgang mit knappen Ressourcen und sozialer Ausgleich müssen ins Zentrum des wirtschaftspolitischen Leitbilds rücken.

Eine Weiterentwicklung der CO2-Bepreisung, die Ausrichtung des Steuer- und Abgabensystems an Finanzierungsbedarfen und Umweltproblemen sowie der konsequente Abbau umweltschädlicher Subventionen sind zentrale Bauteile dafür.

Wichtig ist, diese Preisinstrumente in einen kohärenten Policy Mix einzubetten.

Allein über Preismechanismen wird der Weg in eine sozial-ökologische Marktwirtschaft weder sozial gerecht noch im notwendigen Tempo beschritten werden können.

Literatur

BMF (2021): Ergebnisse der 161. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 9. bis 11. November 2021. Abrufbar hier.

FÖS, Öko-Institut, Klinski, S. (2021): Mobilität in die Zukunft steuern: Gerecht, individuell und nachhaltig. Abschlussbericht zum UBA-Vorhaben „Fiskalische Rahmenbedingungen für eine postfossile Mobilität“. Abrufbar hier.

Lilliestam, J., Patt, A., Bersalli, G. (2021): The effect of carbon pricing on technological change for full energy decarbonization: A review of empirical ex-post evidence. In: WIREs Climate Change. Jg. 12, Nr. 1.

UBA (2021): Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Aktualisierte Ausgabe 2021. Abrufbar hier.



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