Ressourcen: „Wir sind nicht so effizient, wie wir sein müssten“

Bettina Bahn-WalkowiakWuppertal Institut

Frau Bahn-Walkowiak, Sie forschen am Wuppertal Institut zum Thema Ressourceneffizienz und Stoffkreisläufe. Wie effizient nutzt Deutschland denn seine Ressourcen derzeit?

Das kommt auf den Blickwinkel an. Im Vergleich zu weniger entwickelten Ländern innerhalb und außerhalb der EU sind wir etwas effizienter. Nach neueren Daten von Eurostat lagen wir 2019 auf Rang 9 von 28 EU-Ländern, was die Ressourcenproduktivität in der EU angeht. Besser schneiden unter anderem die Niederlande, Luxemburg und Großbritannien ab.

Hier muss man allerdings berücksichtigen, dass die einzelnen Volkswirtschaften sehr unterschiedlich sind. Großbritannien ist stark dienstleistungsorientiert, Luxemburg ist ein Finanzplatz. Beide Länder brauchen daher weniger Rohstoffe als ein Land wie Deutschland mit ausgeprägter Industrie.

Betrachtet man nun aber die absoluten pro-Kopf-Verbrauchszahlen, sind wir vor dem Hintergrund der wachsenden Knappheiten nicht so effizient, wie wir sein müssten. Jährlich verbraucht jeder Bürger in Deutschland durchschnittlich 15 Tonnen Ressourcen. Damit liegt unser Verbrauch weit über dem, was erstrebenswert wäre – und auch klar über dem globalen Durchschnitt, der etwa 11-12 Tonnen pro Kopf beträgt. Die notwendige Zielgröße eines nachhaltigen Ressourcenverbrauchs, an der weltweit geforscht wird, wird für 2050 bei etwa 6 bis 8 Tonnen vermutet.

Das Bewusstsein für mehr Klimaschutz und einen nachhaltigeren Ressourceneinsatz ist in den letzten Jahren gestiegen und auch der politische Wille scheint da zu sein. Was sind hierzulande die größten Hindernisse auf dem Weg zu mehr Ressourceneffizienz?

Aus meiner Sicht ist das Hauptproblem, dass es keine verbindlichen Ziele gibt. Die Politik hat es bislang versäumt, klare Grenzwerte zu setzen, weil man befürchtet, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden könnten.

Ein weiteres Problem ist, dass es keinen gesellschaftlichen Diskurs über das Thema Rohstoffe gibt. Der Rohstoff-Abbau wird in weiten Teilen gar nicht als Problem wahrgenommen, Knappheiten sind kein Diskussionspunkt – obwohl es sie schon gibt. Schauen wir beispielsweise auf den Rohstoff Sand. Der wurde lange Zeit, insbesondere auch in der volkswirtschaftlichen Lehre, als quasi unendlich verfügbares Material angesehen.

Ein fataler Fehler, denn zum Bauen geeigneter Sand wird nun zunehmend knapp, was zu erheblichen Auswirkungen für das Bauwesen führen kann, wo Sand[1] ein zentraler Rohstoff ist. Dennoch handelt es sich um ein Nischen-Thema, das selbst in der betroffenen Branche nicht sonderlich diskutiert wird.

Hinzu kommt, dass die Ressourcenproblematik eng verknüpft ist mit der Klimaproblematik. Ein Beispiel: Wir konsumieren und produzieren überdurchschnittlich viel Fleisch. Die Futtermittel, die man braucht, um all die Tiere zu versorgen, sind zwar Biomasse – sie wachsen also nach. Aber die Fläche für Futtermenge, die dafür benötigt wird, ist so enorm, dass sie hierzulande nicht gedeckt werden kann.

Für die Futtermittel der Tiere, deren Fleisch wir in Deutschland produzieren, konsumieren und exportieren, werden in Südamerika und Asien der Regenwald abgeholzt und Düngemittel eingesetzt. Damit exportieren wir unser klimaschädliches Verhalten.

An welchen Stellschrauben kann gedreht werden, um Ressourcen besser zu nutzen? Und welche konkreten Instrumente können und sollten in Deutschland eingesetzt werden?

Aus meiner Sicht wären das vor allem ökonomische Instrumente, die ökologische Kosten mitberücksichtigen. Die umweltbezogenen Steuern sind in Deutschland im europäischen Vergleich zu anderen Ländern inzwischen stark unterdurchschnittlich. Viele Dinge, wie zum Beispiel Fleisch, sind viel zu billig – weil die ökologischen Kosten externalisiert werden: Sie werden auf die Allgemeinheit, auf nachfolgende Generationen oder ins Ausland verlagert.

Dieses wichtige Instrument der ökologischen Steuern scheitert allerdings in der Umsetzung meist daran, dass gesagt wird, dass wir Produkte aus sozialpolitischen Erwägungen nicht verteuern können – oder weil unsere Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig sei.

Eine weitere Stellschraube wäre die Einführung von klaren, verbindlichen Zielen für Ressourcenproduktivität und -verbrauch, womit dann auch eine Bestrafung im Falle einer sektoralen Zielverfehlung verbunden sein müsste.

Zudem müsste die Nutzungsdauer von Produkten verlängert werden. Die Innovationszyklen werden immer kürzer; wir produzieren viele Güter – auch beispielsweise Elektrogeräte – die zu schnell für den Abfall sind. Sie halten nicht so lange, wie sie halten könnten und können nicht „aufgerüstet“ werden. Um das zu ändern, könnte man zum Beispiel die Gewährleistungspflichten ausweiten. Oder Quoten für die Wiederverwendung von Produkten einführen.

Sie führen in dem Projekt am Wuppertal Institut auch ländervergleichende Analysen durch und bewerten Politiken, Programme und Strategien. Gibt es für die Ressourcenproduktivität der Länder denn international vergleichbare Kennzahlen oder eine gemeinsame Indikatorik?

Es gibt vergleichende Kennzahlen und diverse, vergleichende Reports. Zum Beispiel von der Europäischen Umweltagentur oder dem Internationalen Ressourcen Panel des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen. Die Indikatorik, die maßgebend ist, ist die von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union.

Eine weitere ist der sogenannte Circular Economy Monitoring Process der Europäischen Kommission. In diesem geht es darum zu messen, wie weit wir auf dem Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft sind. Allerdings weist diese Indikatorik noch einige Lücken und Defizite auf, daher wird weiter daran gearbeitet. Das Wuppertal Institut ist hier auch involviert.

Haben Sie ein Best Practice-Beispiel für uns? Von wem kann Deutschland etwas lernen?

Wenn man von der großen Zielvision einer Kreislaufwirtschaft ausgeht, gibt es schon einige Länder, die auf einem besseren Weg sind als wir. Deren Wirtschaft also eine höhere Zirkularität der Materialien aufweist. Beispielsweise die Niederlande: Sie hatten 2019 eine Zirkularitätsquote von 28,5 Prozent. Das heißt, dass 28,5 Prozent der benötigten Rohstoffe aus Sekundärrohstoffen bestehen. Diese Quote lag in Deutschland bei lediglich 12,2 Prozent und ist damit nicht einmal halb so hoch wie in unserem Nachbarland.

Auch Frankreich steht in dieser Hinsicht besser da als wir. Hier gibt es beispielsweise verbindliche Ziele: Die Franzosen geben einen klaren Zeitrahmen für die Steigerung ihrer Ressourcenproduktivität um 30 Prozent für 2030 vor. Auch Deutschland hat hier ein Ziel – es ist nur leider unverbindlich und besteht in der Trendfortschreibung der erreichten relativen Steigerungen der Ressourceneffizienz.

Bislang lag und liegt der Fokus in Wirtschaftswissenschaften und -politik auf der Arbeitsproduktivität. Haben Sie den Eindruck, dass die Ressourcenproduktivität nun stärker in den Blick gerät?

Meines Erachtens ist Ressourcenproduktivität noch nicht genügend im Fokus, sondern hat in den Curricula an den Universitäten immer noch einen Sonderstatus, der nur im Kontext der Umweltökonomie und Umweltpolitik zur Sprache kommt.

Meine Hoffnung ist aber, dass es in Zukunft selbstverständlich ist, mehr über Ressourcen- als über Arbeitsproduktivität zu sprechen. Am Wuppertal Institut arbeiten wir seit vielen Jahren an dem Thema. Um mit unserem prominenten Gründungspräsidenten Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker und dem Europäischen Green Deal von 2019 zu sprechen: Wir müssen den quasi unbesteuerten Produktionsfaktor Ressourcen verteuern und den Produktionsfaktor Arbeit steuerlich entlasten.

 

[1] Siehe zum Beispiel: Zeit online vom 7. Mai 2019, Der Sand wird knapp, https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-05/rohstoffmangel-sand-bauwirtschaft-umweltverschmutzung-unep?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.startpage.com%2F oder Deutschlandfunk, v. 5.1.2021 https://www.deutschlandfunk.de/sand-ein-nur-scheinbar-unendlicher-rohstoff.724.de.html?dram:article_id=460151

 



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