Von Produktivität profitieren: Aktien für alle?!

Friedrich Merz heizte kürzlich die Diskussion über eine Reform der Vermögenspolitik an. Für seine Vorschläge erntete er viel Widerspruch. Konsens existiert hingegen darüber, dass das Thema auf die politische Agenda gehört. Denn Analysen zeigen, dass die Lohnquote weiter sinkt. Wie können die Menschen am Wachstum beteiligt werden?
Hier eine Übersicht der Ideen, die im Netz diskutiert werden.

Im Wettlauf um neue Technologien und Innovationen lohnt es sich, schnell zu sein. Die Unternehmen, die in ihrem Markt besonders stark werden, lassen die Konkurrenz etwa in Hinblick auf das Umsatzwachstum schnell hinter sich. Google und Facebook sind Paradebeispiele für solche Superstar-Firmen. Es gibt sie zunehmend auch in Deutschland.

„Herzlichen Glückwunsch“, könnte man sagen. Doch die Macht der einen schadet den anderen. Analysen zeigen, dass die Lohnquote, also der Lohnanteil am wirtschaftlichen Gesamteinkommen, im deutschen Dienstleistungssektor sinkt.

Die Analyse Unternehmenskonzentration und Lohnquote in Deutschland zeigt: Steigt die Unternehmenskonzentration in Dienstleistungsbranchen um zehn Prozent, sinkt die Lohnquote um etwa ein halbes Prozent. Über alle Branchen hinweg haben Arbeitnehmer zwischen 2011 und 2016 rund 575 Euro pro Person an Einkommensverlusten erlitten.

Das bedeutet, dass Firmen immer mehr Geld verdienen, die Arbeitnehmer aber immer weniger daran beteiligt werden. Eine Reform der Vermögenspolitik, die mehr Menschen zu Kapitaleignern macht, könnte helfen. Unerwartet Fahrt aufgenommen hat die Debatte durch den Vorschlag des CDU-Politikers Friedrich Merz, Aktienbesitz zur Altersvorsorge steuerlich zu begünstigen. Je mehr Menschen Aktien besitzen, desto stärker könnten sie vom Wirtschaftsboom profitieren. Sein Vorschlag stieß nicht nur auf Applaus. Diverse Ökonomen haben sich dazu mit Lob, Kritik und Gegenvorschlägen geäußert, hier eine Übersicht:

Von Steuererleichterungen zum Staatsfonds

DIW-Präsident Marcel Fratzscher kritisiert Merz‘ Idee der steuerlichen Subventionierung von Aktienbesitz. Davon würden letzten Endes wieder nur die Vermögenden profitieren. Der Grund: 40 Prozent der Deutschen haben keine Ersparnisse und somit auch kein Geld, das sie in Aktien investieren könnten. Geringverdiener würden deshalb quasi gar nicht von Steuererleichterungen profitieren.

Der Ökonom Jens Südekum weist darüber hinaus darauf hin, dass 50 Prozent der Deutschen aufgrund ihrer geringen Löhne nur maximal sieben Prozent ihres Bruttoeinkommens an Einkommensteuer zahlen. Steuererleichterungen aufs Einkommen brächten ihnen also nur sehr wenig.

 

Südekum schlägt einen Staatsfonds vor, der im Namen der Bürger investiert. Mit diesem Modell könnten auch die schwächeren Einkommensgruppen vom Erfolg der Superstars profitieren und auch jene, denen das Wissen über Geldanlage fehlt.

Wie ein Staatsfonds aussehen könnte

Kern eines Staatsfonds ist die Investition öffentlicher Gelder an Kapitalmärkten. Befürworter argumentieren, dass Gewinne aus einem Staatsfonds gesellschaftliche Herausforderungen abfedern könnten und so Steuererhöhungen vermieden werden können. Der norwegische Government Pension Fund Global kann als Vorbild dienen. Der Wert des Fondsvermögens war 2016 doppelt so hoch wie das norwegische Bruttoinlandsprodukt. Staatsfondsvermögen darf nicht im Inland angelegt werden. Die norwegische Regierung darf jährlich höchstens vier Prozent des Fondsvermögens für ihren Haushalt verwenden, was der langfristig angestrebten Rendite entspricht. Dies soll stabilisierend wirken. Norwegen nutzt die Renditen unter anderem, um Schocks wie schwankende Rohstoffpreise auszugleichen.

Eine andere Möglichkeit ist es, Erträge regelmäßig direkt an die Bevölkerung auszuzahlen. Davon profitieren dann auch diejenigen 50 Prozent der Deutschen, die kein nennenswertes Vermögen besitzen.

Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, befürwortet die direkte Ausschüttung an die Bevölkerung. Um den Fonds zu finanzieren, sollte der Staat jedes Jahr Schulden in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen und aus Steuermitteln 0,5 Prozent zuschießen. Außerdem sollen Haushaltsüberschüsse in den Fonds fließen. Jeder Bürger würde ab einem Alter von 20 Jahren Mitglied des Bürgerfonds werden und seine Anteile im Alter von 67 Jahren ausgezahlt bekommen.

Fratzscher schlägt einen Staatsfonds vor, in den nicht nur der Staat, sondern alle Erwerbstätigen einzahlen. Diejenigen, die nur sehr wenig selbst sparen können, würden Zuschüsse vom Staat, also Anteile geschenkt bekommen. Der Staatsfonds sollte dann in Unternehmen investieren, damit alle Bürger vom technologischen Wandel profitieren. Fratzscher weist darauf hin, dass der Fonds nur dann für alle von Vorteil ist, wenn die Transparenz hoch ist und die Gebühren gering sind.

Ein Fonds allein reicht nicht

Vielen geht ein Staatsfonds nicht weit genug. Er würde zwar das Problem der Ungleichheit in gewissem Maße bekämpfen, würde aber nicht gezielt die Ursachen eliminieren. Ungleichheit lasse sich nur in geringem Maße mit der Geldanlage erklären, schreibt Alexander Hagelüken, leitender Redakteur für Wirtschaftspolitik bei der Süddeutschen Zeitung. Der Staatsfonds wäre also nur ein Pflaster für die Wunde der Ungleichheit; die Messer, die diese Wunden verursachen, bleiben aber weiterhin geschärft.

Zusätzlich zu einem Staatsfonds sollen Normalverdiener laut Hagelüken von Steuern und Geringverdiener von Sozialabgaben entlastet werden. Außerdem sollten Tarifverträge allgemein gültig sein. Nur so sei es möglich, dass die oben genannten 50 Prozent Geld zum Aktienkauf oder eben zum Investieren in einen Staatsfonds zur Verfügung haben.

Südekum fügt der Liste an Ergänzungen zum Fonds noch hinzu, dass es massive Investitionen in die Wissensinfrastruktur geben sollte, um die Produktivität breiter zu streuen und nicht nur einzelnen zu überlassen. Dazu gehört auch die Verbesserung von Aus- und Weiterbildung.

Das hieße, dass sich das Wissen und die technologischen Möglichkeiten nicht mehr nur auf einzelne große Firmen konzentrieren würde. Das kann dem eingangs beschriebenen Sinken der Lohnquote entgegenwirken.

Kritiker gegen Auslandsinvestments

Es scheint, als hätten viele Ökonomen sich geeinigt: Der Staatsfonds ist prinzipiell eine gute Idee, an der konkreten Ausarbeitung muss noch gearbeitet werden. Doch nicht alle stimmen dem zu. Tom Krebs, Professor für Makroökonomie an der Universität Mannheim, spricht sich gegen einen Staatsfonds aus, der in globale Finanzmärkte investieren würde – so wie der norwegische. Er ist der Meinung, dass Deutschland sein Geld besser in die deutsche Infrastruktur investieren sollte. Er plädiert für einen Bürgerfonds, der öffentliche Investitionen, beispielsweise in Schulen und bezahlbaren Wohnraum, unterstützt..

Ob Staats-oder Bürgerfonds – ein Blick in die Geschichte der deutschen Vermögenspolitik hat ergeben, dass es bei einer Reform der Vermögenspolitik auf folgende Dinge ankommt: Es sollte mehr Geld in weniger Instrumente fließen und alle Bürger sollten die Möglichkeit haben, flexibel und unbürokratisch ihr Geld zu investieren.

Es ist wichtig, über die Besitzverhältnisse der Deutschen zu sprechen, damit die weniger stark verdienenden Bevölkerungsgruppen in Zeiten des technologischen Fortschritts nicht finanziell abgehängt werden. Friedrich Merz ist zwar nicht zum CDU-Parteivorsitzenden gewählt worden. Trotzdem sollte eine Reform der Vermögenspolitik fester Bestandteil der politischen Agenda werden, um das Fallen der Lohnquote und die zunehmende Ungleichheit in Deutschland aufzuhalten.



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