Verwaltung im Eiltempo – das ist auch in Deutschland möglich

Franz-Reinhard HabbelInnovators Club

Nicht selten dauern in Deutschland öffentliche Neubauten oder Sanierungen beispielsweise von Brücken von der Planung bis zur Realisierung sechs bis zehn Jahre, in Einzelfällen sogar noch länger. Zu lange, mit oftmals verheerenden Folgen für die Wirtschaft und die Bevölkerung.

Die aktuelle Dauer von Genehmigungsverfahren ist unhaltbar. Sie sollte halbiert werden, ohne Verlust an Qualität und Beteiligung der Stakeholder. Unternehmen sind auf eine gut ausgebaute Infrastruktur angewiesen.

Nach jüngsten Aussagen der Kreditanstalt für Wiederaufbau beträgt der kommunale Investitionsstau 149 Milliarden Euro. Lange Verzögerungen können wir uns hier nicht leisten. Neben der Bereitstellung finanzieller Mittel geht es darum, Bremsen im Verwaltungsverfahren zu lösen.

Disruptive Ansätze dürfen kein Tabu sein

Hinzu kommt, dass Unternehmen, die auch morgen noch produzieren wollen, stärker die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen müssen. Unsere Wettbewerbsfähigkeit werden wir nur erhalten, wenn wir die Digitalisierung der Industrie umfassend und schnell vorantreiben.

Viele Veränderungen korrespondieren mit einer Verbesserung der Infrastrukturen. Das Thema Breitbandausbau in Deutschland zeigt, wie der mangelnde Ausbau hier zum Hemmschuh für Wachstum wird.

Die Digitalisierung spielt bei der Modernisierung der Infrastrukturen eine entscheidende Rolle.

Auch der Aufbau einer klimagerechten Wirtschaft wird nicht ohne digitale Instrumente und Verfahren gehen.

Die Zeit für Veränderungen bei der Staatsmodernisierung drängt. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hängt auch von einer modernen und leistungsstarken Verwaltung ab. Evolutionäre Veränderungen reichen aber allein nicht aus. Disruptive Ansätze dürfen kein Tabu sein.

Die Tesla-Strategie

Einen interessanten Weg sind die brandenburgischen Ministerien, Behörden und Kommunen bei der Ansiedlung von Tesla gegangen. In der Nähe von Berlin wird Europas größte Giga-Factory für E-Autos gebaut.

Anstatt auf Genehmigungen und Bescheide zu warten, ist hier die Verwaltung zum Treiber von Verfahrensbeschleunigung geworden. Am Ort der neuen Fabrik treffen politischer Gestaltungswille der Landesregierung, des Landkreises Oder-Spree und der Gemeinde Grünheide mit dem Umsetzungswillen der Wirtschaft zusammen.

Es gibt ein gemeinsames Mind-Set und damit ein klares Ziel aller Beteiligten. Ein solches Projekt von Weltgeltung setzt Kräfte auch in Behörden frei.

Bauverfahren und Genehmigungsverfahren laufen plötzlich nicht mehr sequenziell, sondern parallel in Kooperation ab. Ändern sich bei der Bauausführung die Bedingungen, werden gleichzeitig die Genehmigungsverfahren nachgesteuert.

Zwischen Unternehmen und Behörde findet eine permanente, weitgehend digital gesteuerte Kommunikation statt. Anrufe von der Baustelle auch am Wochenende in Behörden sind keine Seltenheit, sondern wenn notwendig, erwünscht. Ein gegenseitiges Verständnis führt schneller zu Lösungen.

Es ist richtig, dass es in den letzten Monaten auch viel Stress bei Abstimmungen bis hin zu Klagen Betroffener gegeben hat. Reibungslos läuft das Experiment nicht ab. Aber es ist auch eine „Baustelle des Lernens“, wie in Zukunft hochkomplexe Verfahren beschleunigt werden können.

Was wir für die Verwaltung brauchen ist eine sog. „Tesla-Strategie“. Konkret heißt das bei größeren Vorhaben die Etablierung einer projektbezogenen Taskforce in der Verwaltung.

Darin sollten auch Experten von außerhalb der Verwaltung sitzen. So könnten nicht nur Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigt werden, sondern auch Innovationen von außen Wirkung zeigen.

Wir müssen Voraussetzungen dafür schaffen, „dass die Politik die Wirtschaft sehr viel mehr als treibende Kraft für die Transformation wahrnimmt, anerkennt und mit der Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen unterstützt“, heißt es in einem jüngsten Papier der Spitzenverbände der Berliner Wirtschaft und verschiedener Unternehmen aus Berlin.

Gerd Altmann Pixabay

Digitale Zwillinge können Planungsverfahren beschleunigen

Planungen erfordern in aller Regel aufwendige Karten und Berechnungen. Das kostet Zeit. Digitale Zwillinge, das heißt Objekte digital abzubilden, lassen Simulationen zu.

Dadurch können auch Alternativen schneller untersucht und bewertet werden. Entscheidungen werden schneller getroffen und Maßnahmen schneller auf den Weg gebracht.

Beschleunigung durch Digitale Bürgerbeteiligung

Ein zweites Beispiel aus dem Rheinischen Braunkohlerevier macht deutlich, dass durch digitale Bürgerbeteiligung Verfahrenszeiten gekürzt werden können, ohne das Abstriche bei der Beteiligung der Bürger:innen gemacht werden müssen.

So konnte der Entwurf einer neuen Leitentscheidung für das Rheinische Braunkohlerevier in einer digitalen Beteiligung kommentiert werden. Auch gab es die Möglichkeit, Stellungnahmen über ein Upload-Formular auf einer Website einzureichen.

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Initiativen, Organisationen, Kreise und Kommunen haben diese Gelegenheit genutzt. Insgesamt sind mehr als 720 Stellungnahmen eingegangen.

Es wäre zu wünschen, dass von diesen Verfahren eine Signalwirkung auch für andere öffentliche Investitionen in Deutschland ausgeht.

Das Kunststück ist, dass sich die Parteien aufeinander einlassen, einander zuhören, in den Dialog treten, bei Problemen miteinander reden und nicht seitenlange Vermerke erstellen, überprüfen lassen, dann erst wegschicken und mit dem Eingangsstempel versehen durch Boten in die Abteilungen weiterleiten.

Politik und unternehmerisches Handeln in einem gemeinsamen Projekt, das macht den Erfolg aus. Dringend notwendig ist daher der Aufbau eines umfassenden Projektmanagements.

Jede politische Maßnahme ist ein Projekt und jedes Projekt ist nicht zuletzt auch ein Digitalprojekt. Bei der Projektarbeit hat die Verwaltung großen Nachholbedarf. Dringend notwendig ist daher ein entsprechender Kapazitätsaufbau. Das kann zum Beispiel auch in neuen interkommunalen Kooperationen erfolgen.

Ständiger technischer Fortschritt trifft auf eine dynamische Verwaltung. Das ist neu. Alle profitieren davon. Wenn die Verwaltung ein wichtiger Standortfaktor sein will, dann muss sie offener kommunizieren, in Projekten denken und handeln. Und ganz wichtig, ohne Faszination geht es nicht.

Beispiele gibt es viele in Deutschland, wo die schnelle Realisierung von Bauvorhaben Faszinationen wie „wir können das“ auslösen könnten. Das geht nur mit einer Portion Leidenschaft und Emotion.

Verwaltung im Eiltempo ist auch in Deutschland möglich.

Deutschlands Verwaltung kann was. Reden wir drüber und zeigen es.

Ein neues Fördermanagement ist notwendig

Experten schätzen die Förderlandschaft in Deutschland auf mehr als 2.200 Förderprogramme. Die Unübersichtlichkeit ist hier nicht mehr zu überbieten.

In aller Regel werden Förderprogramme in den Ministerien von Bund und Länder geplant und auf den Weg gebracht, zuletzt in großem Umfang auch als Corona-Konjunkturprogramm in Milliardenhöhe zur Stärkung der Wirtschaft nach den Belastungen und Einbrüchen der COVID-19 Pandemie.

Bisher sind diese Gelder erst zum Teil ausgezahlt, die Bürokratie fordert trotz erleichterter Antragsstellung ihren Tribut. Generell sollten Förderprogramme besser miteinander koordiniert werden, um jeweils optimale Wirkung zu erzielen.

Die neue Bundesregierung ist aufgefordert, das Fördermanagement auf ein flexibles und schnelles wirksames Fundament zu stellen. Einen bemerkenswerten neuen Weg geht hier das österreichische Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Förderungen für Unternehmen werden hier im Unternehmensserviceportal (USP) mit Methoden der Künstlichen Intelligenz identifiziert und bereitgestellt. Dabei geht es um ein automatisiertes Vorschlagen, Zuordnen und Vorhersagen von Förderprogrammen, um die Vereinfachung der Förderlandschaft und um das Aufzeigen von künftigen Chancen mit KI in der Unternehmensförderung.

KI-gestützte Simulationsmodelle können hier einen Beitrag leisten, insbesondere was die Wirksamkeit von Fördermaßnahmen betrifft. Mit Förderprogrammen sollten auch verstärkt gemeinsame Projekte mit mehreren Kommunen unterstützt werden. Ein solches „Förder-Sharing“ würde die Zusammenarbeit fördern.



Kommentar verfassen