Wettbewerbsfähigkeit, Terms of Trade und Ressourcenproduktivität

Dr. Thieß PetersenBertelsmann Stiftung

Wie kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft gemessen werden? Dazu gibt es zahlreiche Indikatoren. Einer von ihnen sind die Terms of Trade. Ihr Ansatz: Sie beschreiben das reale Austauschverhältnis einer Volkswirtschaft, indem sie angeben, wie viele Importgüter ein Land für eine Einheit seines Exportgutes erhält.

Für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland ist die Steigerung der Ressourcenproduktivität eine entscheidende Stellschraube zur Verbesserung der Terms of Trade.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit – ein schillernder Begriff

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es keine Einigung darüber, was unter dem Begriff der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft zu verstehen ist (vgl. Gries und Hentschel 1994). Eine der prägnantesten Definitionen stammt von Bela Balassa, der die Wettbewerbsfähigkeit als „ability to sell“ bezeichnet (Balassa 1962).

Doch Vorsicht: Die Fähigkeit, Produkte auf dem Markt verkaufen zu können, beschreibt die Wettbewerbsfähigkeit nicht vollständig. Wenn beispielsweise ein Unternehmen seine Preise nur weit genug senkt, kann es seine Produkte letztendlich immer verkaufen. Leider verdient es dann aber nichts und muss gegebenenfalls sogar Verluste hinnehmen. Zur Wettbewerbsfähigkeit gehört also auch die „ability to earn“.

Entscheidend für einen passenden Indikator ist die Frage, welchem Zweck die Wettbewerbsfähigkeit dienen soll, denn die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ist kein Selbstzweck.

Was ist das Ziel einer hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit?

Ziel der Volkswirtschaftslehre ist, unter den gegebenen Restriktionen einen möglichst hohen materiellen Wohlstand zu ermöglichen, der die Basis für eine umfangreiche Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben bildet. Zu dem damit verbundenen Wohlstandskonzept gehören auch ein guter Gesundheitszustand, ein hoher Bildungsgrad, Zeit für politische und kulturelle Teilhabe sowie gute Arbeitsbedingungen, um nur einige Aspekte zu nennen.

Allerdings soll die Bereitstellung einer hohen Menge an Gütern und Dienstleistungen nicht um jeden Preis erfolgen. Verfolgt ein Land das Ziel eines inklusiven und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftswachstums, sind beispielsweise sinkende Löhne kein geeignetes Instrument zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Zwar verbessert das über geringere Produktionskosten die „ability to sell“, aber es beteiligt die Beschäftigten nicht an Produktivitätssteigerungen und ist somit nicht inklusiv.

Wenn eine hohe Güterausstattung der Volkswirtschaft als erstrebenswertes Ziel anvisiert wird, zeichnet sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft dadurch aus, dass sie für ihre Exportprodukte einen guten Preis erzielt und damit möglichst viele Importgüter erwerben kann. Dieses reale Austauschverhältnis lässt sich durch die Terms of Trade ausdrücken.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Terms of Trade

Kurz noch mal die Definition: Die Terms of Trade geben an, wie viele Mengeneinheiten eines Importgutes (bzw. wie viele Mengeneinheiten eines Importgüterbündels) ein Land für eine Mengeneinheit seines Exportgutes (bzw. eine Mengeneinheit eines Exportgüterbündels) erhält.

Eine Verbesserung der Terms of Trade bedeutet, dass das Land seine Produkte auf dem Weltmarkt verkaufen kann und dabei mehr Importgütereinheiten für eine Einheit seines Exportgutes erhält. Die Verbraucher im Ausland stufen die Produkte des Inlands also als so attraktiv – und damit als wettbewerbsfähig – ein, dass sie bereit sind, einen steigenden Preis dafür zu bezahlen.

Eine Volkswirtschaft kann daher als international wettbewerbsfähig angesehen werden, wenn es ihr gelingt, ihre Produkte auf dem Weltmarkt zu verkaufen (ability to sell), ohne dass sich die Terms of Trade verschlechtern (ability to earn).

Berechnung der Terms of Trade

Berechnet werden die Terms of Trade mithilfe der Preise für Export- und Importgüter, jeweils ausgedrückt in der Währung des Inlands. Wird vereinfachend von nur einer ausländischen Volkswirtschaft ausgegangen, lassen sie sich für Deutschland im Verhältnis zu den USA wie folgt berechnen:

Die Höhe der Terms of Trade eines Landes hängt somit von zwei Preisen ab:

  • Preis der Exportgüter: Wenn die Preise der Exportgüter eines Landes steigen, bedeutet das eine Verbesserung der durch die Terms of Trade gemessenen internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Inlands. Das klingt zunächst paradox, denn eigentlich sind geringe Preise ein Ausdruck für geringe Produktionskosten. Und diese sind wiederum ein Indikator für eine hohe Wettbewerbsfähigkeit im Sinne der „ability to sell“.
  • Preis der Importgüter: Wenn die Preise der Importgüter eines Landes sinken, stellt das eine Verbesserung der Terms of Trade dar. Auch das erscheint auf den ersten Blick kontraintuitiv, denn sinkende Preise für ausländische Produkte gelten als ein Wettbewerbsvorteil für das Ausland.

Diese widersprüchlichen Einschätzungen lassen sich auflösen, wenn zwischen der Perspektive der Unternehmen und der privaten Haushalte bzw. Konsumenten unterschieden wird.

Wettbewerbsfähigkeit aus Sicht von Produzenten und Konsumenten

Für Produzenten (also Unternehmen) zeichnet sich eine hohe Wettbewerbsfähigkeit dadurch aus, dass die Preise der eigenen Produkte relativ gering sind – auf jeden Fall geringer als die Preise der Konkurrenten, denn dann kann das Unternehmen viele Mengeneinheiten verkaufen. Entsprechend sollten die Preise der anderen Unternehmen relativ hoch sein, denn dann können diese Konkurrenten wenig verkaufen. Produktivitätsfortschritte dienen dabei dem Ziel, die Produktionskosten zu verringern und damit die Umsätze und Stückgewinne zu erhöhen.

Für einen Konsumenten sieht das anders aus: Er erzielt sein Einkommen durch den Verkauf seiner Arbeitskraft. Um ein möglichst hohes Einkommen zu erzielen, hat der Haushalt ein Interesse an einem hohen Lohn, also einem hohen Preis für das Produkt, das er auf dem Markt anbietet. Andererseits sollen die Preise für die Produkte der Unternehmen, von denen der Verbraucher seine Konsumgüter erwirbt, möglichst niedrig sein – damit das Einkommen des Haushalts eine hohe Kaufkraft hat. Produktivitätssteigerungen haben mit Blick auf das eigene Produkt das Ziel, im Rahmen einer produktivitätsorientierten Lohnentwicklung den zu erzielenden Lohn zu erhöhen.

Wirtschaftspolitische Implikationen

In Deutschland weist der langfristige Trend der monatlichen Terms of Trade eine Verbesserung des realen Austauschverhältnisses auf. Soll sich dieser Trend fortsetzen, müssen die Exportpreise stärker steigen als die Importpreise:

  • Zur Steigerung der am Markt durchsetzbaren Preise der eigenen Produkte bieten sich vor allem Qualitätssteigerungen an. Voraussetzung dafür sind Innovationen und damit eine Steigerung der Innovationsfähigkeit in Deutschland.
  • Auf die Importpreise hat Deutschland keinen direkten Einfluss. Dennoch lassen sie sich durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen senken. Zudem kann durch die Entwicklung von Substituten die Abhängigkeit von Importpreisen reduziert werden.

Die Preise für importierte Rohstoffe sind der entscheidende Faktor für die Terms of Trade eines rohstoffarmen Landes wie Deutschland. Erdöl spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein Beleg dafür: In den drei Phasen, in denen sich in Deutschland die Terms of Trade verbesserten – also 1960 bis 1972, 1985 bis 1998/99 und 2012 bis 2020 –, kam es jeweils zu einem Rückgang des Erdölpreises. Die beiden Phasen mit einer Verschlechterung der Terms of Trade – 1972 bis 1985 und 1999 bis 2012 – waren hingegen durch starke Erdölpreissteigerungen geprägt (vgl. Statista.com 2021).

Ein rohstoffarmes Land kann seine Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen nur reduzieren, wenn der Rohstoffverbrauch verringert wird. Erreichbar ist dies durch eine Steigerung der Ressourcen– und Energieproduktivität. Mit ihr verringert sich der Bedarf an Rohstoffen und die Abhängigkeit von entsprechenden Importen aus dem Ausland (sofern die mit der höheren Ressourcenproduktivität verbundenen Preissenkungen nicht zu einer höheren Ressourcennachfrage führen, die den Einspareffekt wieder aufhebt). Preissteigerungen bei natürlichen Ressourcen haben dann ein geringeres Gewicht bei der Berechnung des Indexes der Einfuhrpreise.

Eine höhere Ressourceneffizienz ist ein integraler Bestandteil einer ökologischen Transformation des Wirtschaftssystems. Ökologische Nachhaltigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit sind dann kein Widerspruch mehr.

 

Literatur

Balassa, Bela (1962). „Recent Developments in the Competitiveness of American Industry and Prospects for the Future“. Joint Economic Committee – Congress of the United States (Ed.): Factors Affecting the United States Balance of Payments. Washington D. C., S. 27–54.

Gries, Thomas, und Claudia Hentschel (1994). „Internationale Wettbewerbsfähigkeit – was ist das?“. Wirtschaftsdienst (74), S. 416–422.

Statista.com (2021): Preisentwicklung ausgewählter OPEC-Rohöle in den Jahren 1960 bis 2020.

Statistisches Bundesamt (2020). Preise: Index der Ein- und Ausfuhrpreise – Zusammenfassungen, Terms of Trade (November 2020). Wiesbaden 2020.

 



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