Wie die Digitalisierung den ländlichen Raum stärkt

Wer gründen will oder an den großen Innovationen der digitalen Welt mitarbeiten möchte, geht häufig nach Berlin oder Köln, München, Hamburg. Der Grund ist simpel: hier finden sich Akteure zusammen, die im selben Technologiefeld agieren. Es ist eine Agglomeration von Wissen und Kompetenz, geprägt besonders durch die Start-up-Szene.

Das Prinzip ist simpel: Wenn Akteure an einem Ort zusammenkommen, profitieren sie voneinander. Im Beispiel von Tech-Businesses geschieht das durch agglomeriertes Wissen, das nach wenigen Gehminuten beim gemeinsamen Mittagessen, Netzwerktreffen oder Hackathon ausgetauscht wird.

Auch die Arbeitsproduktivität ist in Ballungszentren nachweislich höher als in ländlichen Regionen. Gründe dafür können sein, dass sich innovative und somit potenziell produktive Unternehmen häufig in der Nähe von etablierten Unternehmen ansiedeln. Darüber hinaus können Unternehmen in Ballungszentren auf einen größeren Pool potenzieller qualifizierter Arbeitskräfte zugreifen.

Und nun? Stecken die Hidden Champions der Industrie, die nicht in Köln, sondern in Lengerich oder Minden sitzen, die Köpfe in den Sand? Nein, ganz im Gegenteil. Sie nutzen die Chancen, die die Digitalisierung ihnen bietet, um auf die Herausforderungen einer immer schnelleren und digitaleren (Wirtschafts-)welt zu reagieren.

Kapital und Technologie stärken die Region

Die ländliche Industrie hat vielleicht wenig fußläufig erreichbare Co-Working-Spaces. Was aber ausreichend vorhanden ist, sind Kapital, Branchenexpertise, digitale Tools und das Bewusstsein, dass Herausforderungen gemeinsam leichter zu bewältigen sind als alleine.

Die folgenden Beispiele aus der Region Ostwestfalen Lippe zeigen, wie Unternehmen die Chancen der Digitalisierung und Zusammenarbeit nutzen, um das Manko der räumlichen Entfernung zu überwinden.

Verteilt auf 6.519,97 km² wurde und wird in Ostwestfalen bis heute Industriegeschichte geschrieben. Von Miele über Goldbeck, Claas und WAGO bis Melitta: Ostwestfalen hat viele Hidden Champions.

Eine Region der Netzwerke

Bielefeld ist das Zentrum Ostwestfalens und ist als erste deutsche Stadt Open Innovation City. Das bedeutet, dass das Prinzip Open Innovation, also das Öffnen von Innovationsprozessen für die Außenwelt, erstmals auf eine ganze Stadt übertragen wird. Hierfür hat Bielefeld einen Förderbescheid in Höhe von 5,4 Millionen Euro bekommen. Dazu werden Wissenschaft, Mittelstand, Startups, Politik und die Gesellschaft gemeinsam an zukunftsrelevanten Themen arbeiten.

Einige der Akteure haben sich auch bereits im Netzwerk OWL Maschinenbau zusammengefunden, um gemeinsam den Herausforderungen der Digitalisierung und Automatisierung zu begegnen. Neben Veranstaltungen helfen auch hier digitale Tools dabei, die Region zu vernetzen: Die Mitglieder (200 Maschinenbau-Unternehmen) nutzen ein digitales schwarzes Brett, um schnell und unkompliziert Partner für die Bewältigung von konkreten unternehmerischen Herausforderungen zu finden.

© DerSilent – pixabay.com

Die Founders Foundation bringt Jahr für Jahr erfolgreiche Technologie Start-ups hervor und das Digital Hub Startup Region OWL vernetzt und fördert die Gründerszene in der Region.

Ein ähnliches Beispiel für die erfolgreiche Vernetzung der Region trotz vermeintlich großen Entfernungen ist das Technologie-Netzwerk „it’s owl“. In diesem entwickeln Unternehmen und Forschungseinrichtungen Lösungen für die digitale Transformation im Mittelstand. Digital sammeln sie Projektideen, die Industrie und Forschung gemeinsam mithilfe der it’s owl Förderung umsetzen.

Doch selbst, wenn die Unternehmen sich soweit helfen, dass sie fast allen Herausforderungen gewachsen sind, fehlen noch die Fachkräfte, die diese dann auch bewältigen. Auch hierfür haben die ostwestfälischen Unternehmen sich etwas ausgedacht und sich mit der Fachhochschule Bielefeld zusammengetan.

Die FH bietet mit Hilfe von Unternehmen wie Beckhoff Studiengänge an, die bedarfsgerecht Fachkräfte an verschiedenen Orten in OWL hervorbringen. In Gütersloh werden Studenten zu Experten für digitale Logistik, angewandte Automatisierung oder product service engineering ausgebildet. Die Besonderheit: all diese Studiengänge sind praxisintegriert. Die Praxisphasen werden von Partnerunternehmern der Fachhochschule aus der Region durchgeführt, die eben diese Experten in ihren Unternehmen dringend benötigen. Auch an der Planung der Lehrinhalte sind die Unternehmen beteiligt.

Diese Beispiele für Kollaboration und der dazugehörige Sinneswandel schaffen es, die Region zusammenwachsen zu lassen. Immer häufiger hört man die Leute sagen „ich komme aus OWL“, anstatt „ich bin Gütersloher, Bielefelder oder Verler“.



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