Giselle Lian, Gründerin von Gigworks, Berlin

Höhere Produktivität durch zugewanderte Unternehmerinnen und Unternehmer

Armando García SchmidtBertelsmann Stiftung

Claudia WiggenbrökerFreie Wirtschaftsjournalistin

„Du verlässt New York, um in Berlin ein Unternehmen zu gründen? Wie verrückt ist das denn!“ Diesen Satz hat Giselle Lian in tausend Variationen gehört, als ihr Entschluss feststand, Amerika den Rücken zu kehren, um in Deutschland als Unternehmerin durchzustarten. „Hier in Berlin spürst du die Energie. Berlin ist wie eine Blase aus Verrücktheit, Punk und Dirty Glam.“ All das waren wichtige Kriterien für die Amerikanerin, als sie auf der Suche nach dem Ort war, um ihr Start-up Gigworks zu gründen. Die Onlineplattform bringt Künstler und Event-Dienstleister mit Auftraggebern zusammen.

Giselle Lian ist eine Gründerin, wie es in Deutschland mittlerweile viele gibt. Sie sind nach Deutschland zugewandert oder haben einen Migrationshintergrund. Und Leute wie sie braucht Deutschland, wenn es jetzt und in Zukunft wieder an produktiver Kraft gewinnen will.

Giselle Lian
Giselle Lian, Gründerin von Gigworks, Berlin.

Land der „Missing Entrepreneurs“

Zwar scheint es gerade Berlin nicht an unternehmerischer Energie zu mangeln. Mit einem Anteil von 16,8 Prozent aller Startups im Deutschen Startup Monitor 2018 liegt die Hauptstadt weit vor anderen Gründungsregionen. „Es ist etwas in Gang“, meint auch Giselle Lian. Doch gibt es eine Kehrseite: Die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien zum Gründungsverhalten fallen für Deutschland regelmäßig ernüchternd aus. Immer wieder belegen sie, dass hierzulande weniger neue Unternehmen an den Start gehen als anderswo. Die Gründungszahlen sinken seit mehr als zehn Jahren konstant.

Gründe hierfür gibt es verschiedene. Ein wichtiger ist der gesunde Arbeitsmarkt. Dort, wo sichere und gut bezahlte Jobs angeboten werden, wagen weniger Menschen den Schritt in die risikobehaftete und herausfordernde Selbstständigkeit.

Und dennoch ist die Entwicklung besorgniserregend. Denn die Stärke der deutschen Volkswirtschaft und damit auch die Stärke des Arbeitsmarktes beruhen nicht allein auf den Erfolgen großer Konzerne. Sie basieren auf einer vielfältigen und leistungsstarken Landschaft vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen. Doch leistungsstark und produktiv bleiben nur Unternehmen, die im Wettbewerb stehen. Und dafür braucht es vor allem eines: Immer wieder neue Wettbewerber.

Und es sind gerade Gründer und junge Unternehmen, die innovative Geschäftsideen in bestehende Branchen einbringen oder die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige vorantreiben. Dies gilt für Start-ups in wissensintensiven Bereichen in besonderem Maße, aber auch für Neugründungen in klassischen Wirtschaftsbereichen. Neue Marktteilnehmer üben Druck auf etablierte Unternehmen aus, sich nicht auf Erfolgen auszuruhen, sondern sich immer wieder darum zu bemühen, effizienter und kreativer zu agieren. Auch die deutsche Wirtschaft wird langfristig nur erfolgreich bleiben, wenn ständig neue Unternehmen hinzukommen.

Das Potenzial von Zuwanderern als Gründer und Unternehmer

Es gibt einen Trend, der optimistisch stimmt: Immer stärker beteiligen sich Menschen mit Migrationshintergrund am Gründungsgeschehen in Deutschland. Sie beleben die Gründerszene mit Startups und den Mittelstand mit neuen Geschäftsideen. Menschen wir Giselle Lian stehen für diesen Trend.

Eine aktuelle Studie des ifm Bonn zeigt, dass bereits heute jedes zehnte Familienunternehmen in Deutschland migrantengeführt ist. Diese sind überdurchschnittlich häufig in wissensintensiven Bereichen sowie in Freien Berufen tätig, innovationsstark und in ihrer Geschäftstätigkeit international ausgerichtet. Migrantenunternehmer leisten somit einen konkreten Beitrag, neue Märkte zu erschließen und den deutschen Mittelstand zu internationalisieren, dessen Exportumsatz im Jahr 2016 bei nur 17 Prozent lag.

Unternehmer mit Migrationshintergrund leisten zudem einen wesentlichen Beitrag zur guten Beschäftigungssituation in Deutschland. So zeigt eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, die in Migrantenunternehmen beschäftigt sind, im Jahr 2014 bei rund 1,3 Millionen Beschäftigten lag. Das ifm Bonn ergänzt, dass migrantengeführte Familienunternehmen überdurchschnittlich häufig Personen mit Migrationshintergrund beschäftigen und damit eine bedeutende Integrationsfunktion am Arbeitsmarkt ausüben.

Politische Gestaltungsaufgabe

Giselle Lians Fazit ist positiv. Sie freut sich, dass sie ihr Unternehmen in Berlin gegründet hat. Aber eines bereitet ihr nach wie vor Kopfschmerzen: die Komplexität und Schwerfälligkeit der Entscheidungswege deutscher Behörden. „In den USA musste ich 300 Dollar zahlen – und mein Unternehmen war innerhalb von zwei Wochen startklar. Hier warte ich bereits seit zwei Monaten und habe immer noch nicht die Papiere, die ich brauche.“


Veranstaltungshinweis: Berliner Stiftungswoche

Migrantenunternehmen in Deutschland und Europa –
Potenziale einer heterogenen Gesellschaft

Am 3.4.2019 findet eine Podiumsdiskussion zum Thema „Migrantenunternehmen in Deutschland und Europa“ in Berlin statt, die von der Bertelsmann Stiftung veranstaltet wird.

Mehr Infos gibt’s hier




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